Sonntag, 12. August 2012

Lebenszeichen

Lange war es ruhig um die Haydomer Gerüchteküche, was aber nicht heisst, dass die Zeit hier stehen geblieben sei. Manchmal wünscht man sich dass sie das täte, aber gerade in Zeiten, in denen man kein Lebenszeichen von sich gibt, ist man doch häufig in seinen Alltag so verheddert dass man den sozialen Kontakt nach aussen vernachlässigt. Nichts desto trotz ticken die Uhren hier in Haydom weiter. Es ist ungewöhnlich still geworden auf dem Krankenhausgelände, damit meine ich die Anzahl der Mzungus hat sich extrem ausgedünnt, im Sinne von akustischer und mobiler Ruhe kann ich nur sagen hält mich mein Hund wach! So waren wir an diesem Wochenende das erste Mal auf einem Roadtrip nach Arusha. Der Grund unserers Kurzwochenendurlaubs sollte der erste Tierarztbesuch in Arusha werden. Nina mit ihrem Hund Flee und meine Maya mit mir. Nachdem uns die tüchtigen Jungs aus der Werkstatt meine komplette Kupplung ausgebaut und erneuert hatten, traute ich mich auch wieder hinters Lenkrad (nach fast 3 Monaten Stillstand). Unsere fast 8 stündige Autofahrt durch das derzeit extrem trockene und rotstaubige Buschland war von 5 mehr oder minder ungeplanten Stops unterbrochen. Zwei automechanische Probleme (gut dass es auch hier immer ein paar "weisse" Engel auf den Strassen gibt) und dreimal haben sich die Mägen unserer Hunde auf explosive Art entleert ... man sollte also seinem Hund am Tag eines solchen Unternehmens keine Cornflakes zum Frühstück füttern. Etwas peinlich auch wenn sich die Vierbeiner in der Lodge wie im Haydomer Dorf benehmen und neben dezenten Wegmarkierungen noch andere Spuren der Verwüstung hinterlassen. Bilanz nach dem Wochenende waren ein zerstörter Hotelteppich, ein zerfetztes Armband und ein zerkautes Mobiltelefon. Fast kaum zu glauben dass sie hingegen bei der schweizer Tierärztin in ihrer schicken Tierklinik zahm wie die Lämmer agierten. Sie war sichtlich beeindruckt. Nun ist mein Hund gechipt und geimpft. Bevor wir uns wieder in Richtung Haydom aufmachten wurde das Auto neben all den Arushaer Köstlichkeiten mit botanischen Schätzen gefüllt und unser rollender mobiler Dschungel erreichte am Abend sicher das Krankenhausgate, diesmal ohne magenkranke Zwischenstopps

Harvard versus Haydom

Hoher Besuch von Übersee. Es grenzt eigentlich schon an Ironie wenn man mitten im tanzanianischen Buschland ein potentiell funktionsfähiges CT Gerät stehen hat, das bloss seit mehr als einem Jahr die Potenz der Funktionsfähigkeit vermissen lässt. So vermissen wir auch den schon so lang versprochenen norwegischen Ingenieur der es wieder zum Leben erwecken soll. Mit hohen Erwartungen erreichte sicherlich auch das amerikanische neurochirurgische Team Haydom...bloss ohne die passende Bildgebung bleibt der OP Tisch in vielen Fällen leider dann doch leer. Die Information das Krankenhaus bietet die Möglichkeit der VP-Shuntoperation bei Kindern mit Hydrocephalus und die Verschluss-OPs bei Spina Bifida sorgte dann doch für Neugier bei dem amerikanischen Team, bloss die kühne Aussage der OP Besatzung, das macht unsere "Neurochirurgin" läßt mich mit einem genau so erstaunten wie etwas sprachlosen Gesichtsausdruck dastehen wie unsere neuen Gäste. So schnell gewinnt man neben seinem pädiatrischen Titel noch eine Zusatzbezeichung hier. Passend nur dass ich noch in derselben Woche ihrer Anwesenheit meine operativen Fähigkeiten gleich dreimal unter Beweis stellen musste/durfte...mit dem Resultat einer Abwerbung als neurochirurgischer Assistent an die Bostoner Uniklinik in Havard...da fühlt man sich schon etwas geschmeichelt und veralbert zugleich. Wenn ich darf bitte schön, bleib ich lieber Pädiater war meine Antwort :-) !

Projekt Milchküche

Für alle die sich fragen, was es sonst neues zu berichten gibt auf dem Sektor der pädiatrischen Entwicklungshilfe denen sei folgendes mitzuteilen: Nina eine norwegische Ökonomin die hier in der Krankenhausfinanzabteilung als Finanzberater arbeitet, hat ein vor sich hin schlummerndes Budget aufgedeckt, dass es uns erlaubt, ab sofort bis zu 15 Kinder monatlich auf der Kinderstation mit 3 warmen Mahlzeiten am Tag zu versorgen. Das Problem vieler Eltern entsprechende Grundbedürfnisse ihrer Kinder zu stillen, führt häufig dazu, dass sie mit den noch kranken Patienten das Krankenhaus unbemerkt verlassen. Für solche Härtefälle haben Nina und ich einen Menüplan erstellt und Kinder extrem mittelloser Familien oder alleinerziehender Mütter bekommen von der Krankenhauskantine Reisbrei, Kartoffeln, Avocado, Banane und Milch gratis. Wir hoffen inständig dass es sich zu einem Selbstläufer entwickelt und nicht in einer entwicklungshilfslosen Sackgasse landet. Es ist schön zu erleben wie jetzt mittags der doch sonst sehr prägnante Geruch auf der LenaWard von einem Duft aus warmen porridge und Bananen übertüncht scheint. Wie lang das spendenbudget hierfür noch ausreichen mag, wissen wir bloss noch nicht.

Heimweh

Was tun wenn einen trotz all der Abenteuer hier das Heimweh plagt...so ein Flugticket ist schnell gebucht und im Nu steht man wieder auf deutschem Boden. Obwohl das im "nu" wiederrum auch eher relativ zu verstehen ist. Public Landcruiser nach Arusha, Shuttle am nächsten Tag nach Nairobi, Flieger nach Amsterdam, Übernachtung und Flieger nach Frankfurt. Neun Stunden später in einer mir mittlerweile völlig ungewohnt fremden Umgebung wieder aussteigen. Das erste was sofort auffällt, ist die scheinbare Sterilität. In Haydom ist man tagtäglich tausenden von Sinneseindruecken ausgesetzt ob olfaktorisch , akustisch oder optisch. Hier steigt einem sogleich der Geruch von "NICHTS" in die Nase, und "NICHTS" riecht nach Reinigungsmittel, Raumlufterfrischer oder ist einfach nur der Geruch von Sauberkeit?? Dieser mischt sich auf angenehme Weise mit Kaffeeduft vom angrenzenden Flughafencafé. Der Besuch auf der Damentoilette wird zum Hightecerlebnis, Seifenspender, automatische Handtrockner und Toilettenpapier. Das gibt es zum Glück auch in meinem Haydomer Haushalt...auf meinen tansanianischen Reisen aber trifft man das eher nicht so häufig, da wird das gute Abreißbare-Dreilagige mein treuer Reisegefährte im Handschuhfach meines Landcruisers. Meine Zeit zu Hause war wie erwartens viel zu schnell vorüber, Besuch bei und von Freunden, ein Besuch der Wilhelmshavener Kinderklinik mit Überraschungsparty all meiner Kollegen und Freunde. Es scheint fast als käme man von einem Urlaub zurück...dabei ist man derjenige im Urlaub. Seltsame Erfahrung. Es ist als führe man zwei Leben zwischen denen man hin- und herpendelt. Trotzdem weiss man wohin man gehört und es steht ausser Frage dass man wieder dorthin zurückkehren muss. Der Abschied kam schnell und mit jedem geflogenen, gefahrenen und gelaufenen Meter kehrt man immer mehr zurück in seine tansanianische Identität. Das schöne ist wenn man sich an zwei Orten zu Hause fühlen kann.