Sonntag, 23. Dezember 2012

Weihnachten, alle Jahre wieder


Wenn auf allen Stationen die Wischmobs und Wassereimer sowie Gummiehandschuhe herausgeholt werden weiss man es spätestens. Das Weihnachtsfest ist nahe. Die alljährlich weihnachtliche Putzaktion die der saubersten Station einen Preis einbringt spornt allesamt zu hygienischen Höchstleistungen an. Bloss leider veschwinden bei den Massenaufräumaktionen auch Dinge im Müll die nicht für die Hyänen vor den Toren gedacht waren. Während des Reinemachens werden die Patienten in ihren Betten unter dem blauen Himmel geparkt und die Schwestern gehen zur Medikamentenausgabe mit Silbertablett und Injektionen von Baum zu Baum um die im schatten schlafenden Kranken zu versorgen. Sehr innovativ. Neben den Putzaktionen laufen auch die Dekorationen mit goldenen Folienbannern „MERRY X-MAS“  Papiergirlanden und Plastekugeln an immergrünen Zweigen oder improvisierten tanzanianischen Tannen.  Schwestern, Ärzte, Werkstatt, Laborpersonal trifft sich in den Pausen zum heimlichen Einstudieren der individuellen Beiträge für die Weihnachtsaufführung in der Sala-Aula. Tja stellvertretend für alle Ärtze, bis auf Vickie und mich alles männliche Vertreter, sind nun wir beide für das Einstudieren des musikalischen Ärztebeitrages verantwortlich, dh. Chorprobe mit 15 männlichen Kollegen und uns beiden (alias Whoopy Goldberg) dirigierend vor ihnen. Das wird ein wahres kulturelles Highlight. Als der arme Norbert zum Singen angehalten wurde hat er unter dem dringenden Vorwand einer Notoperation fluchtartig den Proberaum verlassen.

Lena Ward Party


Zirka einmal im Monat verwandelt sich die Empfangshalle der Lena Ward in ein buntes Treiben aus Mahlstiften, Seilspringen, Fussballspielen und Bananen. Es ist Kindertag und die kleinen Patienten sollen für diesen Nachmittag ihr Kranksein und den Stationsalltag vergessen, sondern einfach nur Kind sein dürfen sich nach ihren Möglichkeiten kreative betätigen, sich austoben und einfach ausgiebig lachen. Es ist auch die Zeit in der wir daran erinnert werden dass unsere Arbeit hier auch neben all den Frustrationen doch auch viele Erfolgsgeschichten und fröhliche geheilte kleine Patienten hervorbringt. Auf dem Boden kauernd werden Bilder ausgemalt, Gross und Klein versucht sich im Seilspringen, neuer Rekord lag bei 5 Leuten, Eltern Schwestern und uns inklusive im Seil. Sehr beliebt ist auch das Kinderanmalen…die meisten kids kennen ihr eigenes Spiegelbild nicht und wenn ich mich mit der grellbunten Kinderschminke in den schokoladenfarbenen Gesichtern ausgetobt und Clowns, Loewen und Schmetterlinge hervorgebracht habe, sorgt  die erste Reaktion beim eigenen Anblick  im Spiegel erst für scheues Verstecken und dann ganz mutiges hervorstrecken beider Arme zum ebenfalls buntmalen. Es werden Bananen und Bonbons verteilt, die Väter übernehmen das Fussballspielen  (die letzte Aktion kostete uns ein Deckenlicht) und im Hintergrund läuft Musik. Beschlossen wird der Tag mit einem Kinofilm mit Projektor…das lockt neben den Kindern auch sämtliche Patienten und Schwestern und Eltern der Nachbarstationen an. Der letzte gezeigte Trickfilm war in Suaheli und die Menge zeigte sich begeistert. Die Popkornmaschine ist schon in reger Diskussion. Die Luftballon und Buntstiftbestellungen laufen.











Mama Maya


Angesichts der Tatsache, dass sich der Bauchumfang meines Hundekindes Maya in den letzten Wochen verdoppelt hat, lässt sich die Tatsache nicht leugnen dass ich bald und vorraussichtlich noch vor dem Ende des Jahres Oma von vier Hundewelpen werde. Der Ultraschall hat recht schnell meinen initialen Verdacht einer Teenageschwangerschaft bestätigt. Es war mir allerdings nicht möglich den kleinen Ausreisser von dem in Massen auflaufenden männlichen Publikum zu verstecken und so hat die Natur ihren Lauf gehalten. Bisher läuft alles gut, Maya ist bedeutend gesetzter und ruhiger geworden, schläft fast den ganzen Tag, wenn ich sie nicht mit zum joggen auf den Flugplatz schleife. Die Menschen im Dorf sind so an unseren gemeinsamen Auftritt mit Hundeleine gewöhnt dass ich von vielen auch Mama Maya genannt werde…tja bald ändert sich das in BIBI (Oma) Maya.

Beautysalon Haydom



Für alle die glauben unsere Freizeitaktionen beschränken sich nur auf Stoffkauf und Schneiderbesuche sowie Shoppingaktionen bei den „two-sistern“ zum Auffüllen der Nutella und Schokoladenvorräte, dem sei gesagt das Haydom auch auf dem Wellnessektor  ein wachsendes Angebot bietet. Da wären zum Einen die wöchentlichen Saunaabende. Jawohl, Haydom besitzt seine eigene und wohl in Tanzanias-Krankenhauslandschaft einzigartige finnische Sauna. Der Steinofen ist Holzfeuerbetrieben und heizt uns nach getaner Arbeit oft ein, eine willkommene Alternative uns die Schweissperlen auf die Stirn zu treiben, während eigens importierte Aromadüfte den Aufguss zu einem besonderen Highlight machen. Neuerdings gibt es auch Salzpeeling, Saunathermometer und Saunauhr! Für das Tachbecken müssen wir allerdings noch eine Sonderanfrage an die Finanzabteilung der Klinik stellen. Tja und im Dorf sorgt man für das Wohl unserer Füsse, im Beautysalon lassen wir uns von Zeit zu Zeit Hornhaut, eingerissene Nägel und schmerzende Fußsohlen verwöhnen. Zum kröhnenden Abschluss versteht sich der junge Pedicur-IST dann auch in der Kunst der Nagelgestaltung. Geschlossenes Schuhwerk empfohlen! Besonders in der schlammigen Regenzeit.

Haydom goes Hollywood


Das Haydom inzwischen internationale Bekanntheit und den tanzanianischen Titel Hauptstadt der Herzen trägt ist allbekannt. Damit das auch so bleibt und vielleicht noch ein bisschen mehr hinaus in die Welt getragen wird, liessen sich in den letzten 3 Wochen Daniel, Fotograph und Filmmacher von National Geographics, und Michael, professioneller Fotograph aus San Francisco mit all ihrem Equipment hier in Haydom nieder. Ihr Auftrag, ein Dokumentarfilm über Haydom und das Krankenhaus. Sie wollen die Geschichten der Menschen hier der Welt berichten, die Welt aufmerksam auf Haydom machen, um der Klinik auch für die Zukunft Unterstützung zu gewährleisten. Dafür führten sie Interviews vom Administrator bis zur Schwesternschülerin, durchstreiften die Klinik mit ihrem Teleobjektiv und der Kamera auf Rollen…manchmal sah man einen von ihnen auch im Rollstuhl sitzend filmend…auf der Suche nach Schicksalen, Geschichten und alltäglichen Begebenheiten. Sie fanden ihren Weg auch auf Lena Ward…das hiess ich wurde gefunden J verkabelt und hatte Mikrofon unter mir und Kamera abwechselnd vor und hinter mir…Glaubt mir ich habe mehrfach versucht Reissaus zu nehmen aber die Jungens waren sehr flott und mir immer auf den Fersen. Manchmal etwas ausser Atem, die Armen, waren einfach noch nicht an meinen Laufschritt und die dünne Luft hier oben auf knapp 2000 Metern gewohnt. Und ich denke sie konnten sich nicht über ungenügend Filmaufnahmen beschweren…da sie die Katastrophen zum Teil wirklich angezogen haben und so sind jetzt all unsere nächtlichen Reanimationsaktionen, tägliche Stationsvisiten und manchmal etwas alberenen und peinlichen Kamerakommentare (sowie Flüche, wenn wir uns der Mikrophons nicht mehr bewusst waren) auf Band und im Kasten. Und wir warten auf die Veröffentlichung des footage. Oh bitte bitte lieber Daniel und Michael wählet weise und gerecht. Der Film soll in einem halben Jahr ausgestrahlt werden.


Gedanken zum Jahresende


Während Europa gerade unter einer weissen Decke aus Schnee verschwindet, hat in Haydom gerade die lang ersehnte Regenperiode begonnen. Das ausgetrocknet rot-staubige Land liegt durstig vor mir, während ich meinen Blick vom Garten ins Tal schweifen lasse. Mein kleiner Gartenteich hat mehr als ein Drittel seines Wassers verloren und die Fische haben sich auf den Grund verzogen. Der Regen ist für viele Familien überlebenswichtig denn mit ihm kann die Aussaht des Mais begonnen werden. Durch die lange Trockenzeit werden die Fälle von Unterernährung immer zahlreicher und die Milch reicht gerade einmal für die Hälfte der Kinder. Das neue Ernährungsprogramm steckt noch in seinen Kinderschuhen. Es beeinhaltet neben 3 warmen Mahlzeiten am Tag auch ein präventives Schulungsprogramm für die Eltern bevor sie mit ihren Kleinen wieder ins Dorf zurückgeschickt werden.  Man möchte meinen Milch sei eigentlich überhaupt kein Problem bei all den muhenden Artgenossen hier, aber in der Tat steht der Station nur täglich eine Menge von 4-5 Litern zur Verfügung die sich bis zu 20 Kinder teilen müssen. Das das nicht ausreicht ist kalkulierbar. Es ist ruhig geworden in Haydom, all die Mzungu Doctors, bis auf Norbert  (Professor, plastischer Chirurg, Anästhesist, Orthopädischer Chirurg und all round talent)  aus Californien, der hier schon genau so zum regelmässig wiederkehrenden Inventar gehört wie ich)  haben das Rote-Land im weihnachtlichen Flieger nach Hause verlassen. So sind es derzeit nur Vickie und ich die Gesamtstation und Frühchenstation betreuen. Die Interns sind bereits lange fort. Sie waren eine wichtige Stütze für die Klinik, für Wochenendvisiten, Aufnahmen und Bereitschaftsdienste aber es werden wohl so schnell keine neuen mehr nachfolgen…Gerüchten zufolge lag der Regierung eine Beschwerde vor, die besagt, so lang in Haydom keine Specialists anwesend sind stehen der Klinik keine Interns zu, was einem halben Disaster gleich kommt, weil es für die verbliebenen wenigen ärztlichen Kollegen 24 h Dienste nonstop bedeutet.  Vicky und ich geben uns Mühe alle Kinder zu versorgen aber manchmal findet man den Weg nur schwer aus dem Bett wenn fast täglich nachts das Telefon klingelt.  Dennoch habe ich grössten Respekt vor all den Schwestern Lena Wards und der Neugeborenenstation die mit der dünnen Besetzung versuchen alles umzusetzen. Dort wo früher die Verantwortlichen verschwunden sind wenn es schwierig wurde, kommen jetzt viele helfende Hände ins Spiel wenn Not am Mann ist. Man umarmt sich zur Morgenbegrüssung, man lädt sich gegenseitig zum Kaffee ein, es wird versichert dass man sehr vermisst wurde wenn man mal über ein Wochenende verreist war, sie fangen an über meine Witze zu lachen und mich nicht immer ganz so ernst zu nehmen, wenn ich es nicht sein will. Nach wie vor versuchen die Oberschwestern mich mit ihren Söhnen zu verheiraten und die Jungschwestern sind mehr als interressiert zu lernen. Und was mich betrifft ich baue meine chirurgischen Fähigkeiten weiter aus. Bastle VP-Shunts ein und operiere Spinas. Mit dem Rehabilitätszentrum im Moshi , die mich mit Shunts versorgen versuche ich ein Postoperatives Nachsorgeprogramm hier zu initiieren, bei welchem die Kinder  ihre Nachsorgeuntersuchungen, die Eltern Einweisung und Schulungen im Katheterisieren und Umgang mit den Kleinen bekommen, und Moshi das nötige Zubehör und eventuell Fort-und Ausbildung einiger Schwestern und Ärzte anbietet. So soll ich im Januar Catherine einer Kinderchirurgin in Arusha in den OPs folgen und dann Igogo , einem Jungchirurgen hier mein Wissen weiterreichen. Wenn sich die Besetzung aber hier nicht ein bisschen verbessert wird das wohl schwer werden. Momentan plane ich den Einkauf mehrerer sonderangefertigter Rollstühle für die bettlägerigen CP- und HC- Patienten die entlassungs- aber nicht lauffähig sind.