Wenn auf allen Stationen die Wischmobs und Wassereimer sowie
Gummiehandschuhe herausgeholt werden weiss man es spätestens. Das
Weihnachtsfest ist nahe. Die alljährlich weihnachtliche Putzaktion die der
saubersten Station einen Preis einbringt spornt allesamt zu hygienischen
Höchstleistungen an. Bloss leider veschwinden bei den Massenaufräumaktionen
auch Dinge im Müll die nicht für die Hyänen vor den Toren gedacht waren. Während
des Reinemachens werden die Patienten in ihren Betten unter dem blauen Himmel
geparkt und die Schwestern gehen zur Medikamentenausgabe mit Silbertablett und
Injektionen von Baum zu Baum um die im schatten schlafenden Kranken zu versorgen.
Sehr innovativ. Neben den Putzaktionen laufen auch die Dekorationen mit
goldenen Folienbannern „MERRY X-MAS“
Papiergirlanden und Plastekugeln an immergrünen Zweigen oder
improvisierten tanzanianischen Tannen.
Schwestern, Ärzte, Werkstatt, Laborpersonal trifft sich in den Pausen
zum heimlichen Einstudieren der individuellen Beiträge für die
Weihnachtsaufführung in der Sala-Aula. Tja stellvertretend für alle Ärtze, bis
auf Vickie und mich alles männliche Vertreter, sind nun wir beide für das
Einstudieren des musikalischen Ärztebeitrages verantwortlich, dh. Chorprobe mit
15 männlichen Kollegen und uns beiden (alias Whoopy Goldberg) dirigierend vor
ihnen. Das wird ein wahres kulturelles Highlight. Als der arme Norbert zum
Singen angehalten wurde hat er unter dem dringenden Vorwand einer Notoperation
fluchtartig den Proberaum verlassen.
Sonntag, 23. Dezember 2012
Lena Ward Party
Zirka einmal im Monat verwandelt sich die Empfangshalle der
Lena Ward in ein buntes Treiben aus Mahlstiften, Seilspringen, Fussballspielen
und Bananen. Es ist Kindertag und die kleinen Patienten sollen für diesen
Nachmittag ihr Kranksein und den Stationsalltag vergessen, sondern einfach nur
Kind sein dürfen sich nach ihren Möglichkeiten kreative betätigen, sich
austoben und einfach ausgiebig lachen. Es ist auch die Zeit in der wir daran
erinnert werden dass unsere Arbeit hier auch neben all den Frustrationen doch
auch viele Erfolgsgeschichten und fröhliche geheilte kleine Patienten
hervorbringt. Auf dem Boden kauernd werden Bilder ausgemalt, Gross und Klein
versucht sich im Seilspringen, neuer Rekord lag bei 5 Leuten, Eltern Schwestern
und uns inklusive im Seil. Sehr beliebt ist auch das Kinderanmalen…die meisten
kids kennen ihr eigenes Spiegelbild nicht und wenn ich mich mit der grellbunten
Kinderschminke in den schokoladenfarbenen Gesichtern ausgetobt und Clowns,
Loewen und Schmetterlinge hervorgebracht habe, sorgt die erste Reaktion beim eigenen Anblick im Spiegel erst für scheues Verstecken und
dann ganz mutiges hervorstrecken beider Arme zum ebenfalls buntmalen. Es werden
Bananen und Bonbons verteilt, die Väter übernehmen das Fussballspielen (die letzte Aktion kostete uns ein
Deckenlicht) und im Hintergrund läuft Musik. Beschlossen wird der Tag mit einem
Kinofilm mit Projektor…das lockt neben den Kindern auch sämtliche Patienten und
Schwestern und Eltern der Nachbarstationen an. Der letzte gezeigte Trickfilm
war in Suaheli und die Menge zeigte sich begeistert. Die Popkornmaschine ist
schon in reger Diskussion. Die Luftballon und Buntstiftbestellungen laufen.
Mama Maya
Angesichts der Tatsache, dass sich der Bauchumfang meines
Hundekindes Maya in den letzten Wochen verdoppelt hat, lässt sich die Tatsache
nicht leugnen dass ich bald und vorraussichtlich noch vor dem Ende des Jahres
Oma von vier Hundewelpen werde. Der Ultraschall hat recht schnell meinen
initialen Verdacht einer Teenageschwangerschaft bestätigt. Es war mir
allerdings nicht möglich den kleinen Ausreisser von dem in Massen auflaufenden
männlichen Publikum zu verstecken und so hat die Natur ihren Lauf gehalten.
Bisher läuft alles gut, Maya ist bedeutend gesetzter und ruhiger geworden,
schläft fast den ganzen Tag, wenn ich sie nicht mit zum joggen auf den
Flugplatz schleife. Die Menschen im Dorf sind so an unseren gemeinsamen
Auftritt mit Hundeleine gewöhnt dass ich von vielen auch Mama Maya genannt
werde…tja bald ändert sich das in BIBI (Oma) Maya.
Beautysalon Haydom
Für alle die glauben unsere Freizeitaktionen beschränken
sich nur auf Stoffkauf und Schneiderbesuche sowie Shoppingaktionen bei den „two-sistern“
zum Auffüllen der Nutella und Schokoladenvorräte, dem sei gesagt das Haydom
auch auf dem Wellnessektor ein
wachsendes Angebot bietet. Da wären zum Einen die wöchentlichen Saunaabende.
Jawohl, Haydom besitzt seine eigene und wohl in Tanzanias-Krankenhauslandschaft
einzigartige finnische Sauna. Der Steinofen ist Holzfeuerbetrieben und heizt
uns nach getaner Arbeit oft ein, eine willkommene Alternative uns die
Schweissperlen auf die Stirn zu treiben, während eigens importierte Aromadüfte
den Aufguss zu einem besonderen Highlight machen. Neuerdings gibt es auch
Salzpeeling, Saunathermometer und Saunauhr! Für das Tachbecken müssen wir
allerdings noch eine Sonderanfrage an die Finanzabteilung der Klinik stellen.
Tja und im Dorf sorgt man für das Wohl unserer Füsse, im Beautysalon lassen wir
uns von Zeit zu Zeit Hornhaut, eingerissene Nägel und schmerzende Fußsohlen
verwöhnen. Zum kröhnenden Abschluss versteht sich der junge Pedicur-IST dann
auch in der Kunst der Nagelgestaltung. Geschlossenes Schuhwerk empfohlen!
Besonders in der schlammigen Regenzeit.
Haydom goes Hollywood
Das Haydom inzwischen internationale Bekanntheit und den
tanzanianischen Titel Hauptstadt der Herzen trägt ist allbekannt. Damit das
auch so bleibt und vielleicht noch ein bisschen mehr hinaus in die Welt
getragen wird, liessen sich in den letzten 3 Wochen Daniel, Fotograph und
Filmmacher von National Geographics, und Michael, professioneller Fotograph aus
San Francisco mit all ihrem Equipment hier in Haydom nieder. Ihr Auftrag, ein
Dokumentarfilm über Haydom und das Krankenhaus. Sie wollen die Geschichten der
Menschen hier der Welt berichten, die Welt aufmerksam auf Haydom machen, um der
Klinik auch für die Zukunft Unterstützung zu gewährleisten. Dafür führten sie
Interviews vom Administrator bis zur Schwesternschülerin, durchstreiften die
Klinik mit ihrem Teleobjektiv und der Kamera auf Rollen…manchmal sah man einen
von ihnen auch im Rollstuhl sitzend filmend…auf der Suche nach Schicksalen,
Geschichten und alltäglichen Begebenheiten. Sie fanden ihren Weg auch auf Lena
Ward…das hiess ich wurde gefunden J
verkabelt und hatte Mikrofon unter mir und Kamera abwechselnd vor und hinter
mir…Glaubt mir ich habe mehrfach versucht Reissaus zu nehmen aber die Jungens
waren sehr flott und mir immer auf den Fersen. Manchmal etwas ausser Atem, die
Armen, waren einfach noch nicht an meinen Laufschritt und die dünne Luft hier
oben auf knapp 2000 Metern gewohnt. Und ich denke sie konnten sich nicht über ungenügend
Filmaufnahmen beschweren…da sie die Katastrophen zum Teil wirklich angezogen
haben und so sind jetzt all unsere nächtlichen Reanimationsaktionen, tägliche
Stationsvisiten und manchmal etwas alberenen und peinlichen Kamerakommentare
(sowie Flüche, wenn wir uns der Mikrophons nicht mehr bewusst waren) auf Band
und im Kasten. Und wir warten auf die Veröffentlichung des footage. Oh bitte
bitte lieber Daniel und Michael wählet weise und gerecht. Der Film soll in
einem halben Jahr ausgestrahlt werden.
Gedanken zum Jahresende
Während Europa gerade unter einer weissen Decke aus Schnee
verschwindet, hat in Haydom gerade die lang ersehnte Regenperiode begonnen. Das
ausgetrocknet rot-staubige Land liegt durstig vor mir, während ich meinen Blick
vom Garten ins Tal schweifen lasse. Mein kleiner Gartenteich hat mehr als ein Drittel
seines Wassers verloren und die Fische haben sich auf den Grund verzogen. Der
Regen ist für viele Familien überlebenswichtig denn mit ihm kann die Aussaht
des Mais begonnen werden. Durch die lange Trockenzeit werden die Fälle von Unterernährung
immer zahlreicher und die Milch reicht gerade einmal für die Hälfte der Kinder.
Das neue Ernährungsprogramm steckt noch in seinen Kinderschuhen. Es beeinhaltet
neben 3 warmen Mahlzeiten am Tag auch ein präventives Schulungsprogramm für die
Eltern bevor sie mit ihren Kleinen wieder ins Dorf zurückgeschickt werden. Man möchte meinen Milch sei eigentlich
überhaupt kein Problem bei all den muhenden Artgenossen hier, aber in der Tat
steht der Station nur täglich eine Menge von 4-5 Litern zur Verfügung die sich
bis zu 20 Kinder teilen müssen. Das das nicht ausreicht ist kalkulierbar. Es
ist ruhig geworden in Haydom, all die Mzungu Doctors, bis auf Norbert (Professor, plastischer Chirurg, Anästhesist,
Orthopädischer Chirurg und all round talent) aus Californien, der hier schon genau so zum
regelmässig wiederkehrenden Inventar gehört wie ich) haben das Rote-Land im weihnachtlichen Flieger
nach Hause verlassen. So sind es derzeit nur Vickie und ich die Gesamtstation
und Frühchenstation betreuen. Die Interns sind bereits lange fort. Sie waren
eine wichtige Stütze für die Klinik, für Wochenendvisiten, Aufnahmen und
Bereitschaftsdienste aber es werden wohl so schnell keine neuen mehr nachfolgen…Gerüchten
zufolge lag der Regierung eine Beschwerde vor, die besagt, so lang in Haydom
keine Specialists anwesend sind stehen der Klinik keine Interns zu, was einem
halben Disaster gleich kommt, weil es für die verbliebenen wenigen ärztlichen
Kollegen 24 h Dienste nonstop bedeutet. Vicky
und ich geben uns Mühe alle Kinder zu versorgen aber manchmal findet man den
Weg nur schwer aus dem Bett wenn fast täglich nachts das Telefon klingelt. Dennoch habe ich grössten Respekt vor all den
Schwestern Lena Wards und der Neugeborenenstation die mit der dünnen Besetzung
versuchen alles umzusetzen. Dort wo früher die Verantwortlichen verschwunden
sind wenn es schwierig wurde, kommen jetzt viele helfende Hände ins Spiel wenn
Not am Mann ist. Man umarmt sich zur Morgenbegrüssung, man lädt sich gegenseitig
zum Kaffee ein, es wird versichert dass man sehr vermisst wurde wenn man mal über
ein Wochenende verreist war, sie fangen an über meine Witze zu lachen und mich
nicht immer ganz so ernst zu nehmen, wenn ich es nicht sein will. Nach wie vor
versuchen die Oberschwestern mich mit ihren Söhnen zu verheiraten und die
Jungschwestern sind mehr als interressiert zu lernen. Und was mich betrifft ich
baue meine chirurgischen Fähigkeiten weiter aus. Bastle VP-Shunts ein und
operiere Spinas. Mit dem Rehabilitätszentrum im Moshi , die mich mit Shunts
versorgen versuche ich ein Postoperatives Nachsorgeprogramm hier zu initiieren,
bei welchem die Kinder ihre
Nachsorgeuntersuchungen, die Eltern Einweisung und Schulungen im Katheterisieren
und Umgang mit den Kleinen bekommen, und Moshi das nötige Zubehör und eventuell
Fort-und Ausbildung einiger Schwestern und Ärzte anbietet. So soll ich im
Januar Catherine einer Kinderchirurgin in Arusha in den OPs folgen und dann
Igogo , einem Jungchirurgen hier mein Wissen weiterreichen. Wenn sich die
Besetzung aber hier nicht ein bisschen verbessert wird das wohl schwer werden. Momentan
plane ich den Einkauf mehrerer sonderangefertigter Rollstühle für die bettlägerigen
CP- und HC- Patienten die entlassungs- aber nicht lauffähig sind.
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