Sonntag, 23. Dezember 2012

Weihnachten, alle Jahre wieder


Wenn auf allen Stationen die Wischmobs und Wassereimer sowie Gummiehandschuhe herausgeholt werden weiss man es spätestens. Das Weihnachtsfest ist nahe. Die alljährlich weihnachtliche Putzaktion die der saubersten Station einen Preis einbringt spornt allesamt zu hygienischen Höchstleistungen an. Bloss leider veschwinden bei den Massenaufräumaktionen auch Dinge im Müll die nicht für die Hyänen vor den Toren gedacht waren. Während des Reinemachens werden die Patienten in ihren Betten unter dem blauen Himmel geparkt und die Schwestern gehen zur Medikamentenausgabe mit Silbertablett und Injektionen von Baum zu Baum um die im schatten schlafenden Kranken zu versorgen. Sehr innovativ. Neben den Putzaktionen laufen auch die Dekorationen mit goldenen Folienbannern „MERRY X-MAS“  Papiergirlanden und Plastekugeln an immergrünen Zweigen oder improvisierten tanzanianischen Tannen.  Schwestern, Ärzte, Werkstatt, Laborpersonal trifft sich in den Pausen zum heimlichen Einstudieren der individuellen Beiträge für die Weihnachtsaufführung in der Sala-Aula. Tja stellvertretend für alle Ärtze, bis auf Vickie und mich alles männliche Vertreter, sind nun wir beide für das Einstudieren des musikalischen Ärztebeitrages verantwortlich, dh. Chorprobe mit 15 männlichen Kollegen und uns beiden (alias Whoopy Goldberg) dirigierend vor ihnen. Das wird ein wahres kulturelles Highlight. Als der arme Norbert zum Singen angehalten wurde hat er unter dem dringenden Vorwand einer Notoperation fluchtartig den Proberaum verlassen.

Lena Ward Party


Zirka einmal im Monat verwandelt sich die Empfangshalle der Lena Ward in ein buntes Treiben aus Mahlstiften, Seilspringen, Fussballspielen und Bananen. Es ist Kindertag und die kleinen Patienten sollen für diesen Nachmittag ihr Kranksein und den Stationsalltag vergessen, sondern einfach nur Kind sein dürfen sich nach ihren Möglichkeiten kreative betätigen, sich austoben und einfach ausgiebig lachen. Es ist auch die Zeit in der wir daran erinnert werden dass unsere Arbeit hier auch neben all den Frustrationen doch auch viele Erfolgsgeschichten und fröhliche geheilte kleine Patienten hervorbringt. Auf dem Boden kauernd werden Bilder ausgemalt, Gross und Klein versucht sich im Seilspringen, neuer Rekord lag bei 5 Leuten, Eltern Schwestern und uns inklusive im Seil. Sehr beliebt ist auch das Kinderanmalen…die meisten kids kennen ihr eigenes Spiegelbild nicht und wenn ich mich mit der grellbunten Kinderschminke in den schokoladenfarbenen Gesichtern ausgetobt und Clowns, Loewen und Schmetterlinge hervorgebracht habe, sorgt  die erste Reaktion beim eigenen Anblick  im Spiegel erst für scheues Verstecken und dann ganz mutiges hervorstrecken beider Arme zum ebenfalls buntmalen. Es werden Bananen und Bonbons verteilt, die Väter übernehmen das Fussballspielen  (die letzte Aktion kostete uns ein Deckenlicht) und im Hintergrund läuft Musik. Beschlossen wird der Tag mit einem Kinofilm mit Projektor…das lockt neben den Kindern auch sämtliche Patienten und Schwestern und Eltern der Nachbarstationen an. Der letzte gezeigte Trickfilm war in Suaheli und die Menge zeigte sich begeistert. Die Popkornmaschine ist schon in reger Diskussion. Die Luftballon und Buntstiftbestellungen laufen.











Mama Maya


Angesichts der Tatsache, dass sich der Bauchumfang meines Hundekindes Maya in den letzten Wochen verdoppelt hat, lässt sich die Tatsache nicht leugnen dass ich bald und vorraussichtlich noch vor dem Ende des Jahres Oma von vier Hundewelpen werde. Der Ultraschall hat recht schnell meinen initialen Verdacht einer Teenageschwangerschaft bestätigt. Es war mir allerdings nicht möglich den kleinen Ausreisser von dem in Massen auflaufenden männlichen Publikum zu verstecken und so hat die Natur ihren Lauf gehalten. Bisher läuft alles gut, Maya ist bedeutend gesetzter und ruhiger geworden, schläft fast den ganzen Tag, wenn ich sie nicht mit zum joggen auf den Flugplatz schleife. Die Menschen im Dorf sind so an unseren gemeinsamen Auftritt mit Hundeleine gewöhnt dass ich von vielen auch Mama Maya genannt werde…tja bald ändert sich das in BIBI (Oma) Maya.

Beautysalon Haydom



Für alle die glauben unsere Freizeitaktionen beschränken sich nur auf Stoffkauf und Schneiderbesuche sowie Shoppingaktionen bei den „two-sistern“ zum Auffüllen der Nutella und Schokoladenvorräte, dem sei gesagt das Haydom auch auf dem Wellnessektor  ein wachsendes Angebot bietet. Da wären zum Einen die wöchentlichen Saunaabende. Jawohl, Haydom besitzt seine eigene und wohl in Tanzanias-Krankenhauslandschaft einzigartige finnische Sauna. Der Steinofen ist Holzfeuerbetrieben und heizt uns nach getaner Arbeit oft ein, eine willkommene Alternative uns die Schweissperlen auf die Stirn zu treiben, während eigens importierte Aromadüfte den Aufguss zu einem besonderen Highlight machen. Neuerdings gibt es auch Salzpeeling, Saunathermometer und Saunauhr! Für das Tachbecken müssen wir allerdings noch eine Sonderanfrage an die Finanzabteilung der Klinik stellen. Tja und im Dorf sorgt man für das Wohl unserer Füsse, im Beautysalon lassen wir uns von Zeit zu Zeit Hornhaut, eingerissene Nägel und schmerzende Fußsohlen verwöhnen. Zum kröhnenden Abschluss versteht sich der junge Pedicur-IST dann auch in der Kunst der Nagelgestaltung. Geschlossenes Schuhwerk empfohlen! Besonders in der schlammigen Regenzeit.

Haydom goes Hollywood


Das Haydom inzwischen internationale Bekanntheit und den tanzanianischen Titel Hauptstadt der Herzen trägt ist allbekannt. Damit das auch so bleibt und vielleicht noch ein bisschen mehr hinaus in die Welt getragen wird, liessen sich in den letzten 3 Wochen Daniel, Fotograph und Filmmacher von National Geographics, und Michael, professioneller Fotograph aus San Francisco mit all ihrem Equipment hier in Haydom nieder. Ihr Auftrag, ein Dokumentarfilm über Haydom und das Krankenhaus. Sie wollen die Geschichten der Menschen hier der Welt berichten, die Welt aufmerksam auf Haydom machen, um der Klinik auch für die Zukunft Unterstützung zu gewährleisten. Dafür führten sie Interviews vom Administrator bis zur Schwesternschülerin, durchstreiften die Klinik mit ihrem Teleobjektiv und der Kamera auf Rollen…manchmal sah man einen von ihnen auch im Rollstuhl sitzend filmend…auf der Suche nach Schicksalen, Geschichten und alltäglichen Begebenheiten. Sie fanden ihren Weg auch auf Lena Ward…das hiess ich wurde gefunden J verkabelt und hatte Mikrofon unter mir und Kamera abwechselnd vor und hinter mir…Glaubt mir ich habe mehrfach versucht Reissaus zu nehmen aber die Jungens waren sehr flott und mir immer auf den Fersen. Manchmal etwas ausser Atem, die Armen, waren einfach noch nicht an meinen Laufschritt und die dünne Luft hier oben auf knapp 2000 Metern gewohnt. Und ich denke sie konnten sich nicht über ungenügend Filmaufnahmen beschweren…da sie die Katastrophen zum Teil wirklich angezogen haben und so sind jetzt all unsere nächtlichen Reanimationsaktionen, tägliche Stationsvisiten und manchmal etwas alberenen und peinlichen Kamerakommentare (sowie Flüche, wenn wir uns der Mikrophons nicht mehr bewusst waren) auf Band und im Kasten. Und wir warten auf die Veröffentlichung des footage. Oh bitte bitte lieber Daniel und Michael wählet weise und gerecht. Der Film soll in einem halben Jahr ausgestrahlt werden.


Gedanken zum Jahresende


Während Europa gerade unter einer weissen Decke aus Schnee verschwindet, hat in Haydom gerade die lang ersehnte Regenperiode begonnen. Das ausgetrocknet rot-staubige Land liegt durstig vor mir, während ich meinen Blick vom Garten ins Tal schweifen lasse. Mein kleiner Gartenteich hat mehr als ein Drittel seines Wassers verloren und die Fische haben sich auf den Grund verzogen. Der Regen ist für viele Familien überlebenswichtig denn mit ihm kann die Aussaht des Mais begonnen werden. Durch die lange Trockenzeit werden die Fälle von Unterernährung immer zahlreicher und die Milch reicht gerade einmal für die Hälfte der Kinder. Das neue Ernährungsprogramm steckt noch in seinen Kinderschuhen. Es beeinhaltet neben 3 warmen Mahlzeiten am Tag auch ein präventives Schulungsprogramm für die Eltern bevor sie mit ihren Kleinen wieder ins Dorf zurückgeschickt werden.  Man möchte meinen Milch sei eigentlich überhaupt kein Problem bei all den muhenden Artgenossen hier, aber in der Tat steht der Station nur täglich eine Menge von 4-5 Litern zur Verfügung die sich bis zu 20 Kinder teilen müssen. Das das nicht ausreicht ist kalkulierbar. Es ist ruhig geworden in Haydom, all die Mzungu Doctors, bis auf Norbert  (Professor, plastischer Chirurg, Anästhesist, Orthopädischer Chirurg und all round talent)  aus Californien, der hier schon genau so zum regelmässig wiederkehrenden Inventar gehört wie ich)  haben das Rote-Land im weihnachtlichen Flieger nach Hause verlassen. So sind es derzeit nur Vickie und ich die Gesamtstation und Frühchenstation betreuen. Die Interns sind bereits lange fort. Sie waren eine wichtige Stütze für die Klinik, für Wochenendvisiten, Aufnahmen und Bereitschaftsdienste aber es werden wohl so schnell keine neuen mehr nachfolgen…Gerüchten zufolge lag der Regierung eine Beschwerde vor, die besagt, so lang in Haydom keine Specialists anwesend sind stehen der Klinik keine Interns zu, was einem halben Disaster gleich kommt, weil es für die verbliebenen wenigen ärztlichen Kollegen 24 h Dienste nonstop bedeutet.  Vicky und ich geben uns Mühe alle Kinder zu versorgen aber manchmal findet man den Weg nur schwer aus dem Bett wenn fast täglich nachts das Telefon klingelt.  Dennoch habe ich grössten Respekt vor all den Schwestern Lena Wards und der Neugeborenenstation die mit der dünnen Besetzung versuchen alles umzusetzen. Dort wo früher die Verantwortlichen verschwunden sind wenn es schwierig wurde, kommen jetzt viele helfende Hände ins Spiel wenn Not am Mann ist. Man umarmt sich zur Morgenbegrüssung, man lädt sich gegenseitig zum Kaffee ein, es wird versichert dass man sehr vermisst wurde wenn man mal über ein Wochenende verreist war, sie fangen an über meine Witze zu lachen und mich nicht immer ganz so ernst zu nehmen, wenn ich es nicht sein will. Nach wie vor versuchen die Oberschwestern mich mit ihren Söhnen zu verheiraten und die Jungschwestern sind mehr als interressiert zu lernen. Und was mich betrifft ich baue meine chirurgischen Fähigkeiten weiter aus. Bastle VP-Shunts ein und operiere Spinas. Mit dem Rehabilitätszentrum im Moshi , die mich mit Shunts versorgen versuche ich ein Postoperatives Nachsorgeprogramm hier zu initiieren, bei welchem die Kinder  ihre Nachsorgeuntersuchungen, die Eltern Einweisung und Schulungen im Katheterisieren und Umgang mit den Kleinen bekommen, und Moshi das nötige Zubehör und eventuell Fort-und Ausbildung einiger Schwestern und Ärzte anbietet. So soll ich im Januar Catherine einer Kinderchirurgin in Arusha in den OPs folgen und dann Igogo , einem Jungchirurgen hier mein Wissen weiterreichen. Wenn sich die Besetzung aber hier nicht ein bisschen verbessert wird das wohl schwer werden. Momentan plane ich den Einkauf mehrerer sonderangefertigter Rollstühle für die bettlägerigen CP- und HC- Patienten die entlassungs- aber nicht lauffähig sind.












 

Sonntag, 12. August 2012

Lebenszeichen

Lange war es ruhig um die Haydomer Gerüchteküche, was aber nicht heisst, dass die Zeit hier stehen geblieben sei. Manchmal wünscht man sich dass sie das täte, aber gerade in Zeiten, in denen man kein Lebenszeichen von sich gibt, ist man doch häufig in seinen Alltag so verheddert dass man den sozialen Kontakt nach aussen vernachlässigt. Nichts desto trotz ticken die Uhren hier in Haydom weiter. Es ist ungewöhnlich still geworden auf dem Krankenhausgelände, damit meine ich die Anzahl der Mzungus hat sich extrem ausgedünnt, im Sinne von akustischer und mobiler Ruhe kann ich nur sagen hält mich mein Hund wach! So waren wir an diesem Wochenende das erste Mal auf einem Roadtrip nach Arusha. Der Grund unserers Kurzwochenendurlaubs sollte der erste Tierarztbesuch in Arusha werden. Nina mit ihrem Hund Flee und meine Maya mit mir. Nachdem uns die tüchtigen Jungs aus der Werkstatt meine komplette Kupplung ausgebaut und erneuert hatten, traute ich mich auch wieder hinters Lenkrad (nach fast 3 Monaten Stillstand). Unsere fast 8 stündige Autofahrt durch das derzeit extrem trockene und rotstaubige Buschland war von 5 mehr oder minder ungeplanten Stops unterbrochen. Zwei automechanische Probleme (gut dass es auch hier immer ein paar "weisse" Engel auf den Strassen gibt) und dreimal haben sich die Mägen unserer Hunde auf explosive Art entleert ... man sollte also seinem Hund am Tag eines solchen Unternehmens keine Cornflakes zum Frühstück füttern. Etwas peinlich auch wenn sich die Vierbeiner in der Lodge wie im Haydomer Dorf benehmen und neben dezenten Wegmarkierungen noch andere Spuren der Verwüstung hinterlassen. Bilanz nach dem Wochenende waren ein zerstörter Hotelteppich, ein zerfetztes Armband und ein zerkautes Mobiltelefon. Fast kaum zu glauben dass sie hingegen bei der schweizer Tierärztin in ihrer schicken Tierklinik zahm wie die Lämmer agierten. Sie war sichtlich beeindruckt. Nun ist mein Hund gechipt und geimpft. Bevor wir uns wieder in Richtung Haydom aufmachten wurde das Auto neben all den Arushaer Köstlichkeiten mit botanischen Schätzen gefüllt und unser rollender mobiler Dschungel erreichte am Abend sicher das Krankenhausgate, diesmal ohne magenkranke Zwischenstopps

Harvard versus Haydom

Hoher Besuch von Übersee. Es grenzt eigentlich schon an Ironie wenn man mitten im tanzanianischen Buschland ein potentiell funktionsfähiges CT Gerät stehen hat, das bloss seit mehr als einem Jahr die Potenz der Funktionsfähigkeit vermissen lässt. So vermissen wir auch den schon so lang versprochenen norwegischen Ingenieur der es wieder zum Leben erwecken soll. Mit hohen Erwartungen erreichte sicherlich auch das amerikanische neurochirurgische Team Haydom...bloss ohne die passende Bildgebung bleibt der OP Tisch in vielen Fällen leider dann doch leer. Die Information das Krankenhaus bietet die Möglichkeit der VP-Shuntoperation bei Kindern mit Hydrocephalus und die Verschluss-OPs bei Spina Bifida sorgte dann doch für Neugier bei dem amerikanischen Team, bloss die kühne Aussage der OP Besatzung, das macht unsere "Neurochirurgin" läßt mich mit einem genau so erstaunten wie etwas sprachlosen Gesichtsausdruck dastehen wie unsere neuen Gäste. So schnell gewinnt man neben seinem pädiatrischen Titel noch eine Zusatzbezeichung hier. Passend nur dass ich noch in derselben Woche ihrer Anwesenheit meine operativen Fähigkeiten gleich dreimal unter Beweis stellen musste/durfte...mit dem Resultat einer Abwerbung als neurochirurgischer Assistent an die Bostoner Uniklinik in Havard...da fühlt man sich schon etwas geschmeichelt und veralbert zugleich. Wenn ich darf bitte schön, bleib ich lieber Pädiater war meine Antwort :-) !

Projekt Milchküche

Für alle die sich fragen, was es sonst neues zu berichten gibt auf dem Sektor der pädiatrischen Entwicklungshilfe denen sei folgendes mitzuteilen: Nina eine norwegische Ökonomin die hier in der Krankenhausfinanzabteilung als Finanzberater arbeitet, hat ein vor sich hin schlummerndes Budget aufgedeckt, dass es uns erlaubt, ab sofort bis zu 15 Kinder monatlich auf der Kinderstation mit 3 warmen Mahlzeiten am Tag zu versorgen. Das Problem vieler Eltern entsprechende Grundbedürfnisse ihrer Kinder zu stillen, führt häufig dazu, dass sie mit den noch kranken Patienten das Krankenhaus unbemerkt verlassen. Für solche Härtefälle haben Nina und ich einen Menüplan erstellt und Kinder extrem mittelloser Familien oder alleinerziehender Mütter bekommen von der Krankenhauskantine Reisbrei, Kartoffeln, Avocado, Banane und Milch gratis. Wir hoffen inständig dass es sich zu einem Selbstläufer entwickelt und nicht in einer entwicklungshilfslosen Sackgasse landet. Es ist schön zu erleben wie jetzt mittags der doch sonst sehr prägnante Geruch auf der LenaWard von einem Duft aus warmen porridge und Bananen übertüncht scheint. Wie lang das spendenbudget hierfür noch ausreichen mag, wissen wir bloss noch nicht.

Heimweh

Was tun wenn einen trotz all der Abenteuer hier das Heimweh plagt...so ein Flugticket ist schnell gebucht und im Nu steht man wieder auf deutschem Boden. Obwohl das im "nu" wiederrum auch eher relativ zu verstehen ist. Public Landcruiser nach Arusha, Shuttle am nächsten Tag nach Nairobi, Flieger nach Amsterdam, Übernachtung und Flieger nach Frankfurt. Neun Stunden später in einer mir mittlerweile völlig ungewohnt fremden Umgebung wieder aussteigen. Das erste was sofort auffällt, ist die scheinbare Sterilität. In Haydom ist man tagtäglich tausenden von Sinneseindruecken ausgesetzt ob olfaktorisch , akustisch oder optisch. Hier steigt einem sogleich der Geruch von "NICHTS" in die Nase, und "NICHTS" riecht nach Reinigungsmittel, Raumlufterfrischer oder ist einfach nur der Geruch von Sauberkeit?? Dieser mischt sich auf angenehme Weise mit Kaffeeduft vom angrenzenden Flughafencafé. Der Besuch auf der Damentoilette wird zum Hightecerlebnis, Seifenspender, automatische Handtrockner und Toilettenpapier. Das gibt es zum Glück auch in meinem Haydomer Haushalt...auf meinen tansanianischen Reisen aber trifft man das eher nicht so häufig, da wird das gute Abreißbare-Dreilagige mein treuer Reisegefährte im Handschuhfach meines Landcruisers. Meine Zeit zu Hause war wie erwartens viel zu schnell vorüber, Besuch bei und von Freunden, ein Besuch der Wilhelmshavener Kinderklinik mit Überraschungsparty all meiner Kollegen und Freunde. Es scheint fast als käme man von einem Urlaub zurück...dabei ist man derjenige im Urlaub. Seltsame Erfahrung. Es ist als führe man zwei Leben zwischen denen man hin- und herpendelt. Trotzdem weiss man wohin man gehört und es steht ausser Frage dass man wieder dorthin zurückkehren muss. Der Abschied kam schnell und mit jedem geflogenen, gefahrenen und gelaufenen Meter kehrt man immer mehr zurück in seine tansanianische Identität. Das schöne ist wenn man sich an zwei Orten zu Hause fühlen kann.

Samstag, 12. Mai 2012

Zwischen Leben und Tod



Eine Erfahrung die hier in Haydom tagtäglich zum Stationsalltag gehört ist der Umgang mit dem Tod. Immer wieder gerät man in Situationen in welcher sich das Leben oder Sterben eines kleinen Patienten entscheidet. Natürlich ist man immer gewillt alles zu tun um ein Menschen- insbesondere Kinderleben um jeden Preis zu retten, aber häufig wird man oft auch schmerzlich daran erinnert, dass die Umstände trotz aller neuen Mitbringsel und medizinischen Fortschritte doch ein langfristiges Überleben selbst nach einer geglückten Wiederbelebung oft unmöglich machen. Manchmal hat man das Gefühl man ist als westlich denkender Mediziner hier der einzige der an das Leben bzw. seine verlängernden Massnahmen glaubt. Das Vertrauen in die medizinische Technik, die uns und den Patienten in unseren Landen so gute Dienste leistet, stösst hier an nichtkalkulierbare Grenzen. So mag man wohl ein bis zwei Tage Zeit gewinnen aber doch häufig muss man dann dem Schicksal nachgeben, was sich doch immer noch jedes Mal wie eine Niederlage anfühlt. Aufgrund mangelnder Stationsbesetzung habe ich in den letzten Wochen vermehrt die neuen Venilatoren zum Einsatz gebracht. Was sonst eine Schwester 24h rund um die Uhr manuell handbebeuteln musste, schaffte so freie Hände für andere Patienten. Was aber tun wenn ein Neugeborenes nach 3 Tagen Maschinenbeatmung immer noch keine Spontanatmung oder aktive Lebenszeichen zeigt. Die Eltern hatten ihr Kind bereits aufgegeben und so wurde beschlossen das Beatmungsgerät abzuschalten, alle Versuche ohne Gerät eine Atmung zu erzielen waren erfolglos...letztlich war ich es der anschliessend das warme noch rosige Kind im Arm hielt, bis das Herz endgültig verstummte. Die Eltern hier lehen es ab auf diese Weise Abschied von ihrem Kind zu nehmen. Sie akzeptieren häufig den Tod ihres Sprößlings weitaus früher als von Gott gewollt, als ich selbst. Die Frage nach dem Warum , wird hier mit "Gott" beantwortet und so sieht man selten Eltern offen Tränen vergiessen. Trotzdem glaube ich wir sollten fortfahren all das zu nutzen was uns zur Verfügung steht um die wenigen zu retten, die vielleicht eine grössere Chance haben.

Life without care: Haydom Hospital in Gefahr!

2014 wird Haydoms Hauptsponsorenquelle in Norwegen versiegen. Das Krankenhaus wird aber ohne weitere finanzielle Sponsoren nicht in der Lage sein weiter zu existieren, da es hauptsächlich auf Spenden angewiesen ist. Das bedeutet Millionen von Menschen um die Gegen von Lake Manyara und Mbulu die die letzten 50 Jahre medizinisch versorgt waren, werden keine ärztliche Hilfe mehr erlangen können. Doktor Norbert ein amerikanischer Chirurg, welcher hier mit mir gemeinsam gearbeitet und meherere Kinder operiert hat, hat im Rahmen der derzeitigen fast aussichtslosen Situation einen Dokumentarfilm gedreht um neue Aufmerksamkeit in diese verlassene Gegend Tanzanias zu bringen um die Stimmen der Ärmsten und Kranken laut und ihre Geschichte gehört werden zu lassen

http://www.kickstarter.com/projects/1589512961/life-without-care-losing-haydom-hospital-tanzania

Känguru-Care



Samstag, 14. April 2012

Die Geschichte des einsamen Zahnarztstuhles

Die tanzanianische Angst vor dem Zahnarzt scheint sich vom europäischen Unbehagen einem Untersuchungsstuhl gegenüberstehend zu unterscheiden. So jedenfalls stehen die Mütter der Frühchen bereitwillig und geduldig wartend an, wenn es um das Sitzplatzrecht auf dem neuen heissbegehrten Zahnarztstuhl geht. Ausgegraben wurde das gewaltige Schmuckstück aus einem alten vergessenen Container. Monströs und scheinbar unvermittelbar wurde es erst einmal unter
Mithilfe vieler starker Hände auf die Frauenstation gewuchtet unter der Annahme es sei als Untersuchungsstuhl zu gebrauchen. Stiefmuetterlich und einstimmig von den Schwestern und Ärzten der Gynäkologie abgewiesen haben sich Pädiater und Neo-Schwester seiner erbarmt und ihm Asyl im Frühchenzimmer gewährt. So sollte er sich in unseren Bestrebungen das Känguru-hing einzuführen als nützlich beweisen. Bei dieser Methode soll über direkten nackten Hautkontakt des Frühchens mit der Mutter oder dem Vater die Bindung gefestigt werden, ausserdem hält es die Körpertemperatur des Kleinen, das dabei auf die Brust des Elternteils gelegt und von der abgewandten Seite mit einer Decke umwickelt wird, also wie in einem Känguruhbeutel, in einem gesunden und ausreichend warmen Bereich. Leider haben wir dafür bisher vom Workshop nur einen Neigungsverstellbaren Holzstuhl mit weicher Auflage zur Verfügung gestellt bekommen. Wenn man sich jetzt fragt was angesagter ist um mit dem Kleinen auf der Brust gemeinsam zu ruhen ... der bequeme verstellbare und mit weicher Auflage versehene Holzliegestuhl... nein es ist tatsächlich der globige harte Zahnarztuntersuchungsstuhl den die Mütter bevorzugen. Vielleicht weil er so hypermodern und teuer aussieht...wahrscheinlich auch ist...macht das gemeinsame Kängu-Ruhen gleich doppelt Spass. Das nenn ich interdisziplinäre dentoneonatologische Flexibilität.

Pole Pole, Schritt für Schritt

Wenn ich in meiner Haydom Chronik zurückblicke so hat sich doch schon einiges verändert. Dies ist zuletzt nicht all der ausserafrikanischen heimatlichen Unterstützung zu verdanken! Ob höchstpersönlich mitgebracht im extra Reiskoffer unter Verzicht persönlicher Textilien und Reiseartikel oder im DHL Paket versendet und unter Bücher und Zeitschriften deklariert am tanzanianischen Zoll vorbeigeschleuste neurochirurgische High Tech Medizin...alles hat seinen Platz gefunden. Monitorüberwachung im OP Saal, wohltemperierte Neugeborene mit ihren neuen Wärmflaschen, Perfusorgesteuerte volumenkontrollierte i.v. Flüssigkeits und Medikamentengabe. Auf der Lena Ward wurde sogar ein extra Regal errichtet auf denen die gerade nicht in Benutzung stehenden Pulsoxymeter in einer eigens angebrachten Sockelleiste mit Steckdosenverteiler geladen werden. Die Inhalationstherapie mit Pariboy hat sich zu einem Routineprogramm entwickelt und am Nachmittag gibt es jetzt immer zwei Schlangen: eine, die auf ihren neuen von der Schwester gelegten i.v. Zugang wartet und eine, in welcher man auf den Sitzplatz vor dem Inhalationsgerät wartet. Die neuen Ohrthermometer haben ebenso grosses Erstaunen und regen Beifall für ihre zeitsparende Temperaturbestimmung erbracht...dabei hab ich ihnen verschwiegen dass die Schwestern der Neo-Abteilung gerade in der einen Fiebermessung noch einen Schritt voraus sind mit transcutaner Stirntemperaturmessung :-) Für diejenigen unter Euch, die sich noch an meine ausbauende Beschreibung des tanzanianischen EKG Ableitens erinnern jetzt das besondere Highlight. Vor 2 Wochen wurde in Haydom das erste pädiatrische Real-Time Belastungs EKG abgeleitet in Zusammenarbeit mit der Physiotherapie unter Benutzung ihres Fahrradergometers. Der kleine Patient wurde dafür mit dem neuen EKG und mit einem der EKG Monitore verbunden und verkabelt und auf Knopfdruck ratterte ein langer bedruckter Papierstreifen in unsere Hände. Vorbei die Zeit des Monitor abfotographierens. Diese Woche sind die aus Norderstedt/Kiel versprochenen Codman VP Shunts angekommen und ich konnte mich wieder im OP betätigen und endlich die bereits wartenden kleinen Hydrocephaluspatienten versorgen. Mittlerweile zähle ich einen Patientenstamm von 12 Kindern mit VP Shunts. Das Zimmer 8 ist mittlerweile zur Spezialeinheit der Hydrozephalus und Spina Bifida Patienten geworden. Mütter betroffener Kinder tauschen dann immer gleich Erfahrungen aus oder begrüssen sich überschwenglich wenn sie sich bei den Kontrollen zufällig im Gang wieder treffen. Vielleicht sollte ich darüber nachdenken mal einen Nachmittag für die betroffenen Familien zu veranstalten an welchem sie sich alle treffen und Erfahrungen austauschen können und etwas über ihren Alltag berichten. Vielleicht hilft ja ein kleiner Ansporn in Form von Cola und Sprite oder gegebenenfalls Rubbelkarten für Telefonguthaben das kommt immer gut an und vielleicht klappts dann mit der Kommunikation bezüglich Terminvereinbarungen auch etwas besser.

Klein Mzungu


Martin Rütter hat ja so recht. Sobald das kleine Fellknäuel sich auf dem Arm befindet und einen mit seinen rehbraunen "darf ich Mama zu dir sagen"- Augen anblinzelt ist es aus mit all den Vorsätzen wie: Das ist bloss ein Hund! Ich bin ein konsequenter Mensch. Hunde gehören nicht aufs Sofa. Es wird gefressen was in den Hundenapf kommt. Betteln wird ignoriert...Sofort wird der Spezial-Tierladen in Arusha leergekauft und der Hund bekommt vom Hundbett alles bis zum Halsband mit Glöckchen. Genau wie vorhergesagt kniet man erwartungsvoll hinter der Tür und beobachtet die erste Annäherung des Welpen an den gefüllten und neuen Futternapf. Man gestattet grosszügig das Herumknabbern am Inneninventar und ist ganz beunruhigt wenn es plötzlich still wird weil das Welpenkind auf dem Flechtteppich eingeschlafen ist. Eine Sache ist hier kulturübergreifend genauso gültig wie beim Gassie-Gehen in der heimatlichen Innenstadt. Ein Welpenbesitzer gewinnt auch hier gesteigerte soziale Aufmerksamkeit. Alle paar Meter wird gehalten, der Hund begutachtet, kurz gestreichelt und es werden Tipps und gute Ratschläge erteilt. Obwohl hier ein Hund auf dem Arm oder gar an einer Leine wohl sicher zu den selteneren gewohnten Anblicken gehört. Mayas Spitzname übrigens wurde auf Mzungu festgelegt nachdem sich hier die Lager in der Namensgebung gespalten hatten.

Heri Pasaka - Frohe Ostern




Zu Haus kennt Ihn jeder. Er hat braunes Fell, lange Ohren und auf seinem Speiseplan steht die rote Karotte. Hier unten schaut der Osterhase etwas anders aus. Schlapp- statt Langohr, Welpenschnauze statt Hasenzahn und statt die Ostereier zu bringen, zerbeisst und frisst sie sie am liebsten. Osterhund statt Osterhase hat dieses Jahr an meine Tür geklopft. Maya ein 7 wöchiger Hundewelpe ist seit kurzem bei mir eingezogen und durchwirbelt mein Haydomer Alltagsleben. In den wenigen Tagen ihres bisherigen Aufenthaltes hat sie bereits alle Zweibeiner um sich herum verzaubert und etliche potientielle Babysitter rekrutiert. Sie liebt das Abenteuer. Wenn sie nicht gerade Osterhase spielt und Eier rollend über den Boden jagt, dann schlüpft sie auch gern mal in die Rolle des Bademeisters... leider mit weniger angenehmen Ausgang wie sie selbst spüren musste. So hat sie ihre Neugier am Teich einmal in denselbigen befördert. Mit einer Hand hab ich das nasstropfende zitternde Hundebaby aus dem Wasser gezogen und gleich einer erneuten Fön- und Shampookur unterzogen, seitdem beobachtet sie die Goldfische nur noch aus sicherer Distanz. Gemeinsam haben wir in diesem Jahr, nachdem wir sämtliche Bestände in Haydom aufgekauft hatten, an die 70 Ostereier gefärbt, bemalt und beklebt. Zum Ostersonntag bin ich gemeinsam mit Randi auf Station und von Zimmmer zu Zimmer "gehoppelt" und haben Eier und Süssigkeiten verteilt. Die Tradition des Eierfärbens ist hier zwar ein unbekannter Brauch, aber geschmeckt haben sie allen egal ob dunkel- oder hellhäutig. Selbst der nette Mann vom Reinigungsservice hat seinen Wischmob für ein Osterei und ein paar Gummitierchen für eine Weile in die Ecke gestellt. Rundum also eine gelungene Osteraktion.

Montag, 6. Februar 2012



















Er ist da, der lang ersehnte Truck mit dem inzwischen schon ganz seekranken Equipment. Am Wochenende konnte ich ihm und einigen Boxen schon mal herzlich willkommen sagen und einige auf der Kinderstation verteilen. Die ersten Sättigungsmonitore wurden an sauerstoffpflichtige Kinder verteilt unter Jubel und Dankesbekundungen der Schwestern., die genauso aufgeregt die Neuankömmlinge etablierten und während die kleinen Patienten die blinkenden Anzeigen neugierig beäugten. Es bedurfte einiger Geduld all die Kabel zu entwirren und jedem Gerät die richtigen Strippen zuzuordnen. Auch muss Platz für das neue Inventar geschaffen werden. Fast ein bisschen wie Weihnachten fühlte man sich, als ich da oben auf dem Truck in die einzelnen Boxen schaute um sie entsprechend zu verteilen. Hilfe hatte ich von Irene, einer Frühchenschwester aus Norwegen, die angesichts der Box mit den Flaschen, Saugern und Pampers in lautes Entzücken ausbrach. Die Oberschwester oder sollte ich sagen Oberhebamme legte der erst besten Schwangeren gleich den Ultraschalldetektor für die Aufzeichnung des Herzschlages des Ungeborenen um den Bauch. Leider war die arme Frau gerade in Wehen und schrie lauter als wir das Dopplersignal verstärken konnten. Den grössten Zugewinn aber macht sicher auch die Anästhesie. So muss man sich vorstellen waren die bisherigen Operationen stets komplett ohne Kreislaufmonitoring vonstatten gegangen. Dies führte am Wochenende, wie heute in der Morgenbesprechung berichtet, dazu, dass ein Patient, der unbemerkt einen Herzstillstand auf dem OP Tisch erlitten hatte, weiter operiert wurde, natürlich kamen die lebensrettenden Massnahmen, als man den fehlenden Puls bemerkte, dann zu spät. So konnte ich heute morgen unter dem Applaus der Kollegen verkünden, dass die Monitor, und mit ihnen die Ventilatoren, angekommen und betriebsfertig sind. Die erste OP mit EKG, Puls und Sättigungsüberwachung fand dann auch gleich statt, mit dem wohl zufriedensten Lächeln dass ich je auf dem Gesicht eines Anästhesisten hier gesehen habe, bzw. hinter der Gesichtsmaske erahnen konnte. Bloss ich war eher mit meinem OP Feld als mit dem Monitor beschäftigt, obwohl zugegeben ich hab auch öfter mal einen Blick auf die EKG Zacken und die Sättigung geworfen und zufrieden in die Maske gegrinst. Morgen werde ich einen Tag frei nehmen um den Rest der Ladung zu verteilen und zu organisieren. Sicher gibt es noch so einiges was von grossem Nutzen wäre, aber wie schon gesagt, Pole Pole das wird sicher noch!

Samstag, 28. Januar 2012

Entscheidungen







Manchmal ist es gut sich auf sein Bauchgefühl zu verlassen wenn gleich das auch bedeuten mag dass man oft mindestens genauso viel Beharrlichkeit an den Tag legen muss . Ich weiss zwar noch nicht wie der finale Ausgang der folgenden Begebenheit sein wird, aber ich hoffe doch sehr postitiv. In vielen Situationen kann man den Kindern nur eine zweite Chance schenken aber sie sind anschliessend doch wiederum sehr dem Schicksal üerlassen. Wie auch der kleine 3 jährige Junge den ich am späten Nachmittag ohne Bewusstsein auf der Station vorfand. Er war bereits voroperiert mit einem Liquorshunt versorgt vor einem Jahr. Er zeigte sich mit typischen Symptomen eines zu hohen Hirndrucks was mich an der Funktionsfähigkeit des Shunts zweifeln liess. Dumm nur dass der kleine Patient einen positiven Malaria Nachweis hatte…übrigens der einzig positive den ich jemals hier zurückbekommen habe…Dieser wurde ihm nur beinah zum Verhängnis. Mit dieser Diagnose wird man hier nur auf i.v. Quinin gesetzt und abgewartet. Mir war schon klar dass ich um diese Zeit kein OP Team mehr zusammenstellen konnte, eine mehrfache und mehretagige Liquorpunktion zur vorrübergehenden Drucksenkung, sozusagen ein künstlich geschaffenes spinales Liquorleck über Nacht, liess ihn dann tatsächlich etwas aufklaren was unseren Verdacht eben noch erhärtete dass es nicht die Malaria war die ihn im Koma hielt. Doch nun galt es am Folgemorgen die Anästhesie von der Dringlichkeit der OP Indikation zu überzeugen…die hatte aber gerade ihren Diskussionsdienstag und hielt mit aller Beharrlichkeit an der Malariatherorie fest, da half es auch nicht dass ich nach mehrfachen unterschiedlichen Diskussions- und Argumentationsansätzen, wohl schon sichtlich schärfer im Ton, gedanklich zumindest mit dem Fuss aufstampfte. Verstärkung bekam ich durch eine norwegische Neurologi n die zur Zeit hier in Haydom ist, die ich zu argumentatorischen und authoritätssteigernden Zwecken dazurief. Trotzdem verlagerte sich der OP Zeitpunkt dann noch aufgrund fehlender steriler OP Kleidung, einer noch eiligen Sektio, die dann doch eher als geplant deklariert wurde, in den späten Nachmittag hinein. Man hat mich fast senkrecht Wände erklimmen sehen. Am Ende fand ich unter der OP das alte Shuntende völlig deplatziert und funktionslos unter der Kopfhaut liegend…da blieb nur die Entfernung dessen und die Implantation eines neuen Systems auf der anderen Kopfseite. Glücklicherweise lief alles gut und der kleine Patient erholte sich anschliessend auf Station. Trotz dass er begonnen hat wieder auf seine Umwelt zu reagieren, ist er bisher noch immer in einem halbwachkomaartigen Zustand aus dem wir es leider nicht geschafft haben ihn bisher zu befreien. Die zweite Chance die er bekam, lässt sich leider durch uns nun nicht mehr zum positiveren verbessern.

Die fliegenden Ärzte

Es gibt sie doch die kleinen Wunder. Und umso schöner wenn man ihnen ein bisschen auf den Weg helfen kann. Samstag Abend Einlieferung eines kleinen 5 jährigen Jungen, dem wohl eine ungekochte Bohne über die Luftwege in die rechte Lunge geraten war, welche nun die Atemwege blockierte. Dumm nur, dass das einzige Bronchoskop zum Entfernen des Fremdkörpers (wie sollte es auch anders sein) kaputt ist. So fand ich den kleinen Patienten also sichtlich atemgestresst und intubiert vor. Schnell war klar das Kind gehört verlegt...zumindest theoretisch wie man befand, da sich die Verwandten keinen Flugzeugtransport leisten konnten und eine Amublanzwagenverlegung ohne Sauerstoff, 8 Stunden durch den tanzanischen Busch mit einer Schwester, die masekenbeatmet völlig absurd erschien. Ich entschied mich für die Variante "Überleben" und ich konnte für den Folgemorgen einen Piloten des "Flying Medical Service" sowie medizinische Begleitung organisieren. Pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt lag der Junge in der Propellermaschine, zeitnah wurde er am Ankunftsflughafen schon von einer Ambulanz erwartet und wenig später war er den lästigen Fremdkörper auch los. Laut Aussage ist er bereits entlassungsfähig und wird dann wohl auch auf dem Landweg gesund nach Haydom zurückkehren. Ich hab mich dazu entschieden die Kostenfrage durch HaydomFriends beantworten zu lassen. Einen Teil wird der Verein tragen, den Rest wird uns der Pilot erlassen. Man sieht das es sie doch gibt die TEAMARBEIT und die Erfolgsstories.

Dankbarkeit auf Afrikanisch

Dies ist eine typisch afrikanische Story, die das Leben hier schrieb, und die am Ende zumindest für einen eher einen unglücklichen Verlauf nahm. Die Mutter des von mir operativ mit einem VP-Shunt versorgten Kindes, konnte mit ihrem kleinen Jungen in der letzten Woche nach einem langen Krankenhausaufenthalt endlich nach Haus entlassen werden. Die Freude allein darüber war schon gross genug, nicht minder ihre Dankbarkeit darüber, dass HaydomFriends die für sie untragbaren Krankenhauskosten übernommen hat. Eben diese Dankbarkeit drückte sie in der letzten ambulanten Wiedervorstellung aus, indem sie mir höchst feierlich und mit einem strahlenden Lächeln einen lebendigen Gockel überreichte. Das Tier hatte mehrere Talente, zum einen startete es punktgenau 5 Uhr in der früh seinen musikalischen Weckruf, ausserdem fand es immer zielgerichtet seinen Weg zurück zum Haus und in mein Salatbeet, und es zeichnete sich durch ein hohes Mass an Sozialität aus, hatte es doch auch den Pfortenwächtern am Gate einen spontanen Besuch abgestattet, dort sah ich es an der Krankenhauspforte stehen und den Besuchern entgegenkiekerikien aus völlig freien Stücken. Dumm allerdings dass es heute Morgen zurück in meine Waschküche geflattert kam, genau zu dem Zeitpunkt als Paulina kam. Die fand das Tier und war sich dessen Zweck jeglichen Zweifels ungetrübt sicher. Und mir die Entscheidung über den weiteren Aufenthaltsort des Tieres zu erleichtern, entschied sie das Gefrierfach sei perfekt und machte den armen Hahn einen Kopf kürzer. Die Afrikanische Art des DANKE sagens

Donnerstag, 5. Januar 2012

Pädiater in Action


Der stolzeste Rucksackträger seit es tragbare Ultraschallgeräte von SONOSITE gibt!

Neues Jahr, neue Herausforderungen!



Heri za Mwaka Mpya
Ein gesundes und frohes Neues Jahr allen Leseratten und Mentalunterstützern. Ich begruesse Euch heute in einem traditionellen Datoga-Outfit, dass mir eigens für die Neujahresfeier massgeschneidert wurde. Eigentlich war es ein Neujahresgeschenk einer sehr gut befreundeten Familie hier, denn ich hatte ja versprochen dem armen Dorfschneider hier eine kleine Pause zu gönnnen. So gesehen hatten wir eine sehr schöne Neujahresfeier mit Buffet und Karaoke nur auf das Feuerwerk mussten wir verzichten dass ist in ganz Tanzania nämlich untersagt...und nein alternativ wurden auch keine Frösche aufgepustet oder Glühwürmchen in die Luft gejagt. Das neue Jahr bringt bereits jetzt in der ersten Woche neue Herausforderungen und zukünftige Aufgaben. So habe ich heut zu verkünden meine erste alleinige OP erfolgreich durchgeführt zu haben. Nachdem Eva nicht mehr in Haydom ist, und sie vor ihrer Abreise noch einmal intensiv abendlich fachbetreut hat mit einem aufmunterendem finalen "Du schaffst das schon" hab ich mich heut mit Ernst einem erfahrenen "Bauch" (Betonung liegt klar in diesem Gebiet begründet) Chirurgen an den ersten Ventrikuloperitonealen Shunt getraut. Für alle Nichtmediziner sei gesagt, dies ist ein Ventilsystem, welches einseitig in die Hirnwasserräume gelegt wird und dann getunnelt unter der Haut verläuft im Bauchraum endend, um das überschüssige Hirnwasser dorthin kontrolliert abzuleiten. Ja das bedeutet ich musste ein Loch in den Schädel bohren...mit einem quietschenden Handbohrer mit Kurbel und Aufsatz. Ich war zu Anfang so nervös, dass ich natürlich den Abend zuvor sämtliche Aufzeichnungen von Eva im abgeschlossenen Guest House liegen gelassen hatte und alle Schritte nur noch theoretisch in meinem Kopf rekapitulieren konnte. 10 Minuten vor OP hab ich noch eben Ernst in der Teeküche des OPs erklärt was und in welcher Reihenfolge zu tun ist. Er nickte nur zustimmend "Seems that you know what you are doing, sounds logic to me". Ernst hielt sich während der OP stets bewusst bescheiden zurück...auch wenn ich ihm einige Male einen bettelnden hilfesuchenden Blick zugeworfen habe, war er überzeugt genug zu entgegnen "Continue, its your operation, I am just assisting". Nun die OP lief wie geplant und man kann nun nur hoffen und abwarten, betend dass sich keine Infektion anbahnt. Das Kind zumindest hat bereits wieder begonnen bei der Mutter zu trinken, wirkt deutlich wacher und agiler und der Shunt scheint zu drainieren zumindest was mir der Ultraschall verrät. Das ist also meine neue Jahresaufgabe. Es gibt hier sehr viele Kinder mit Hydrocephalus ("Wasserkopf") meist infolge einer Dandy Walker Malformation oder einfach weil die Meningitiden nicht richtig auskuriert werden. Allerdings viel wichtiger als die eigentliche OP ist die postoperative und poststationäre Nachbetreuung. Eva und ich haben noch vor ihrer Abreise ein Nachsorgeprogramm entworfen bei welchem die Kinder wöchentlich Physiotherapie erhalten und ich sie Monatlich zu Anfang später vierteljährlich zur Nachsorge und zum Kontrollschall hier in der "Sprechstunde" sehe. Um sicher zu stellen dass die Eltern auch wieder kommen, übernimmt unser HaydomFriends e.V. Verein die Kosten für Physio und Anreise wenn notwendig. Diese Woche hatte ich schon 3 nachstationäre Rückkehrer, denen es allen 3 gut geht, und die wohl auch so wie ich gehört habe wöchentlich zur Physio kommen. Mal sehen wie sich das so verwirklichen lässt in Zukunft. Überdies hab ich zur Zeit in der Neo tatkräftige Unterstützung von einer norwegischen Neonatalschwester. Mit Hilfe der lokalen Nurses und "Mama Kedogo" der HEAD-NURSE und Chef- Hebamme des Departments haben wir einen seperaten Raum ein- bzw. umgerichtet war vorher eher ein Aufenthaltsraum für alle Zwecke...jetzt stehen dort neben der BIli-Lampe kleine Holzbetten und wir haben einen "Rea-Untersuchungs-Tisch" ... nicht lachen!! ... und einen Milchkühlschrank. Meine Idee heute, doch von Müttern mit etwas mehr Milcheinschuss Milch zu sammeln für all die kleinen Spucker und Lactogenersatzmilchnichtvertrager hat zunächst einiges Gekicher ausgelöst unter den anwesenden Müttern, "Mama Kedogo" hat ein paar schärfere Worte gesprochen und eine der Mütter hat ihr anschliessend eine extra Portion ihrer eigenen abgepumpten Milch gehändigt. Wie schön und so unkompliziert!!! Unser nächster Plan ist die Einrichtung eines seperaten Zimmers zum Kangoroohing. Dafür sollen hier extra Stühle geschreinert werden mit weichen Auflagen für die Mütter. Dann braucht es noch eine "Demonstrations-Vorbild-Mama" und etwas Eigenengagement. Die norwegische Kinderschwester hat sich neulich vor den Augen der neugierigen Anwesenden ein Frühchen erklärend unter in den eigenen Kasack gesteckt... grosse Augen der Beteiligten Getuschel und zT. auch das Gefühl sie haben verstanden worum es ihr ging. Ansonsten gibt es derzeit auch weiterhin viel auf der Lena-Haupstation zu tun, da aufgrund des feuchten Wetters natürlich die Rate der schweren Lungenentzündungen steigt. Häufig reichen da die Inhalationen nicht mehr aus so dass man härtere Geschuetze auffahren muss. Aminphyllin, Ketanest und Intubation erst gestern wieder bei einem 6 Monate alten Säugling. Anschliessend stabil mit ner 96 Sättigung. Dann verlässt man Abends die Station, bekommt keinen Anruf und nur die Meldung das Kind ist am frühen Morgen dann verstorben ... aber keine Ursachendokumentation, kein Anruf, einfach nur "Certified Death" in der Akte. Das ist schon sehr grenzwertig und entmutigend. Aber manchmal fällt halt einfach auch mit dem instabilen Stromnetz das Sauerstoffgerät aus und dann gibts keine Chance, ich weiss nicht was passiert ist. Mit diesem Unwissen muss man sich hier so oft zufrieden geben, was häufig nicht leicht fällt. Es ist ein fortwährender Kampf gegen hiesige Umstände, unterschiedlicher Arbeitsmoral und auch der Gewissheit sich manchmal selber in Schutz nehmen zu müssen um Verantwortung auch an andere abgeben zu müssen, denn selbst ein 24h Dauereinsatz würde daran im Endeffekt nichts ändern. Es ist schon schwer genug niemanden sonst fragen zu können.