Sonntag, 5. Dezember 2010

Welchen Wert hat ein Menschenleben

Welch einen Wert hat eigentlich ein Menschenleben und gibt es Unterschiede zwischen alt und jung? Nachdem zwischen den heutigen Geschehnissen und dem jetzigen Zeitpunkt ein paar Minuten der Ruhe und des Nachsinnens liegen beginne ich mir darüber Gedanken zu machen, was ich hier eigentlich fuer ein Rolle spiele, wie ich hier Menschen helfen soll, die dem Leben selbst so gleichgueltig gegenueber stehen. Fuer mich undenkbar.
Ich glaube das Problem liegt zum Teil einfach darin, dass man hier nicht gewohnt ist eigenständig Entscheidungen zu treffen, bzw. miteinander zu agieren. Für alles muss eine Anordnung formuliert werden man sieht nur seine eigenen Aufgaben und was nebenher geschieht ist nebensächlich, egal wie dringend...Prioritäten setzen...ich glaube das ist etwas was man nur kann, wenn man gelernt hat eigenständig und nicht fremdgelenkt zu denken. Natuerlich ist es viel einfacher eine To-Do-Liste abzuarbeiten als eine selbst zu erstellen.
Man verlässt sich lieber auf den anderen, als selbst Verantwortung fuer bestimmte Dinge zu uebernehmen. Und das mit fatalen Folgen. Heut fand ich mit einem 5 Monate alten Säugling mit schwerer Lungenentzuendung und niedriger Sauerstoffsättigung um die 50% in der Visite. Das Röntgenbild zeigte ein völlig einseitig weisse Lunge. Das Kind japste nach Luft...aus der provisorisch angebrachten Sauerstoffnasenbrille konnte man nur einen Hauch von Luft erahnen, der zichfach geklebte Schlauch aus dem Sauerstoffgerät leckte an sämtlichen Stellen. Ich beschloss mir das nicht länger anzusehen und das Kind zu intubieren. Mit dem Anästhesisten an meiner Seite war es für uns beide auch kein Problem dieses zu tun, bloss waren im Moment seiner Ankunft plötzlich alle Schwestern verschwunden, noch im selben Moment als das Kind einen Herz-Kreislaufstillstand erlitt, und gingen wieder ihren Tätigkeiten nach. Zu zweit reanimierten wir zwei ueber 15 Minuten ohne Erfolgszeichen, da stand aber keine Schwester an meiner Seite die irgend etwas angereicht hätte, ich schrie jedesmal quer durch die Station nach Adrenalin oder ähnlichem, das dann im ruhigen Schritttempo angetragen wurde...bloss keine Hektik verbreiten so schien die Divise. Der Anäshesist drängelte nicht, aber ich klatschnass geschwitzt ich hab mir geschworen ich verliere nicht noch ein Kind...weiter machen!! Der Stoss Adrenalin ging direkt ins Herz mit der Spritze, zack...allerletzte Chance. 2 Minuten später später hatte der Kleine wieder eine stabile Herzfrequenz von 150/Minute. Ich stand dann noch sicher 20 Minuten in dieser Position das Kind bebeutelnd und ich hätte da sicher auch noch länger gestanden wenn ich nicht irgendwann einmal gefragt hätte, ob mich mal jemand ablösen könnte mit dem Bebeuteln und dann stellen sie mir statt einer erfahrenen Schwester eine Schuelerin an die Seite die das noch nie gemacht hatte, die Schwestern hätten gerade anderweitig mit der Medikamentenausgabe zu tun. Ich wollte nur schnell etwas trinken gehen, es wurde mir nach eindringlichem Nachfragen versichert, sie rufen mich sofort wenn sich etwas ändert (wohlgemerkt Sättigung lag jetzt über 80% u. Herzfrequenz war stabil) und halten das Kind im Auge. Ich hätte nicht gehen sollen!!! Bei meiner Rückkehr, eine andere Schwester betätigte den Beutel, hatte das Kind plötzlich keinen Herzschlag mehr, auf Nachfragen kam die Antwort, das wär jetzt schon seit mehr als 10 Minuten so....ABER ES HAT VERDAMMT NOCH MAL NIEMAND ETWAS DAGEGEN UNTERNOMMEN, weder mich gerufen noch auf die schlaue Idee gekommen vielleicht Herzdruckmassage anzuwenden anstatt nur Luft in die Lungen zu pusten. Fast ausser mir vor Wut und Verzweiflung hab ich dann noch mal angefangen, Adrenalin konnte keiner mehr bringen, es gäbe gerade niemanden mehr auf Station der es hätte aufziehen können...Ich hab noch ein paar Zyklen durchgehalten bevor ich aufgegeben habe. Hab dann aber alles fallen und die Schwester mit dem toten Kind stehen lassen, bevor ich mit geballten Fäusten und Tränen in den Augen die Station verliess.

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